Wir kehren zurück zu einem der ‚heißen Themen‘ dieses Jahres, dem Brexit-Prozess, der in diesen Tagen einige unerwartete Entwicklungen erfährt.
Wir fassen die Chronologie der wichtigsten Ereignisse der vorangegangenen Episoden(1 | 2 | 3 | 4) bis auf die Knochen zusammen:
- Juni 2016: Brexit-Referendum
- März 2017: Offizielle Notifizierung des Brexit
- Juni 2017: Beginn der Brexit-Verhandlungen
- November 2018: Vorläufiges Brexit-Abkommen
- Oktober 2019: neuer Brexit-Deal
- Januar 2020: Genehmigung des neuen Abkommens und Beginn des Brexit-Prozesses
- März 2020: Beginn der Verhandlungen über die Post-Brexit-Beziehungen
Wir haben im Hinblick auf die neue Verhandlungsrunde die achte (8.-10. September 2020)verlassen. Die Runde war geprägt von erheblichen Reibereien zwischen den Positionen der EU und des Vereinigten Königreichs, die auch mit dem Näherrücken des endgültigen Endes des Übergangszeitraums noch weit voneinander entfernt sind: Ab dem 31. Dezember wird das Vereinigte Königreich in jeder Hinsicht kein Mitglied der EU mehr sein.
Die Spannungen in dieser Verhandlungsrunde waren groß:
- durch die politische Position von Premierminister Boris Johnson, der am 7. September ein Ultimatum für den Abschluss der Verhandlungen bis zum 15. Oktober stellte und die Option eines „No Deal“ als zufriedenstellend bezeichnete;
- die Vorlage (am 9. September) eines‚Binnenmarktgesetzes‚, eines Gesetzesvorschlags, der den Warenverkehr innerhalb des Vereinigten Königreichs (einschließlich Nordirland) regeln würde und damit teilweise gegen die im Abkommen eingegangenen Verpflichtungen verstößt.
Dieser Vorschlag wurde von vielen britischen und internationalen Beobachtern heftig kritisiert (z.B. 1 | 2), da er einen gefährlichen Präzedenzfall in den internationalen Beziehungen und den Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich schaffen würde; dennoch wurde er kürzlich vom Unterhaus verabschiedet, was das ohnehin schon komplizierte Bild weiter verkompliziert.
Diese Kritik hat bereits zu einigen Vorschlägen zur Änderung des Binnenmarktgesetzes geführt, aber die Möglichkeit eines ‚No Deal‘ und eines(auch gerichtlichen) Konflikts zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich wird immer konkreter.
Wir hatten die möglichen Auswirkungen des europäischen Projekts hier zusammengefasst: Alles, was bleibt, ist, sich auf alle Szenarien vorzubereiten.